​Die Schilddrüse – kleines Organ​
​mit großer Wirkung

Die Aufgabe der Schilddrüse ist die Produktion und Freisetzung der lebenswichtigen Schilddrüsenhormone T3 und T4. 

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Von Dr. med. Herbert Zack

Die kleine schmetterlingsförmige Schilddrüse liegt an der Vorderseite des Halses unterhalb des Schildknorpels des Kehlkopfes. Sie besteht aus zwei Hauptlappen, die durch eine Gewebsbrücke (Isthmus) vor der Luftröhre miteinander verbunden sind. Eine gesunde Schilddrüse ist etwa daumengroß. Die Aufgabe der Schilddrüse ist die Produktion und Freisetzung der lebenswichtigen Schilddrüsenhormone T3 und T4. 

Diese Hormone bestimmen entscheidend die Stoffwechsellage des Organismus und beeinflussen zahlreiche Körperfunktionen wie Energieverbrauch, die Regulation der Körperwärme, die Aktivität von Nerven, Muskeln, Herz, Kreislauf, Magen und Darm, das seelische Wohlbefinden, die Sexualität sowie, insbesondere bei Kindern und Ungeborenen, die körperliche und geistige Entwicklung. Vereinfacht ausgedrückt wirken die Schilddrüsenhormone wie ein Gaspedal unseres Körpers: bei einem zu viel an Hormonen laufen Körper und Seele „übertourig“, bei zu wenig an Hormonen entsprechend „untertourig“. Daneben bildet die Schilddrüse auch das Hormon Calcitonin, welches den Kalzium- und Knochenstoffwechsel beeinflusst. Der Gegenspieler von Calcitonin ist das Parathormon, das in den zumeist 3 bis 4, etwa reiskorngroßen Nebenschilddrüsen produziert wird. Diese liegen hinter dem rechten und linken Schilddrüsenlappen.

Die Hirnanhangsdrüse reguliert mit dem Botenstoff TSH die Produktion und Freisetzung der Hormone aus der Schilddrüse. Die Hirnanhangsdrüse (auch Zirbeldrüse) selbst steht unter der Kontrolle einer bestimmten Hirnregion im Hypothalamus. In diesem Regelkreis wird der Hormonspiegel im Blut ständig gemessen und je nach Bedarf wird die Hormonausschüttung gesteigert oder gedrosselt. 

Grundstoff der Schilddrüsenhormone ist Jod. Der menschliche Körper kann Jod selbst nicht produzieren und auch nur sehr begrenzt speichern, deshalb muss Jod regelmäßig mit der Nahrung zugeführt werden. In Österreich enthalten die landwirtschaftlich genutzten Böden relativ wenig Jod, deshalb existiert seit 1963 eine gesetzliche Regelung, in der die Bevölkerung über jodiertes Speisesalz mit Jod versorgt wird. Durch vermehrte Verwendung von „Spezialsalzen“ und Einhalten einer kochsalzarmen Ernährung hat sich die Jodzufuhr in den letzten Jahren wieder verschlechtert. Vor allem Frauen mit Kinderwunsch, während der Schwangerschaft und in der Stillzeit sollen auf eine zusätzliche Jodzufuhr achten, zum Beispiel Trinken von jodhaltigem Mineralwasser, Genuss von Meeresfischen oder Nahrungsergänzungsmittel.

Die ​kranke Schilddrüse

Erkrankungen und Funktionsstörungen der Schilddrüse sind ausgesprochen häufig und treten in jedem Lebensalter auf. Etwa jeder dritte bis vierte Erwachsene hat im Laufe seines Lebens Probleme mit der Schilddrüse, Frauen erkranken wesentlich häufiger als Männer. Die häufigsten Erkrankungen sind die Struma, die Über- und Unterfunktion, der Morbus Basedow, die Hashimoto-Entzündung und das Schilddrüsenkarzinom.

Zu groß 

Die krankhafte Vergrößerung der Schilddrüse wird als Struma bezeichnet, im Volksmund auch „Kropf“ genannt. Die Vergrößerung kann diffus oder knotig sein (Knotenstruma). Die häufigste Ursache ist ein schleichender Jodmangel. Der Körper versucht dem Jodmangel und der damit drohenden hormonellen Unterversorgung durch eine Vermehrung der hormonproduzierenden Schilddrüsenzellen entgegenzuwirken, das führt dann zu einer Vergrößerung des Organs. Das Wachstum kann auch vorwiegend nach hinten erfolgen (retrosternal), sodass das Ausmaß der Vergrößerung von außen nicht immer sicht- und tastbar ist. Das Wachstum kann auch durch sogenannte strumigene Substanzen angeregt werden. Das können Medikamente wie Lithium sein, auch andere Stoffe wie Thiocyanat oder Nitrat, aber auch Substanzen in der Nahrung sein. Strumigene Nahrungsmittel sind zum Beispiel Zwiebel, Soja, Tofu, Wal- und Erdnüsse, oder auch viele Kohlarten, wobei die strumigenen Substanzen beim Kochen meist weitgehen entschärft werden. Deshalb sollten Menschen mit Struma auf eine übermäßige Zufuhr dieser Lebensmittel weitgehend verzichten. Eine besondere Form des Schilddrüsenknotens ist das autonome Adenom, auch als „heißer Knoten“ bezeichnet, da es unkontrolliert Schilddrüsenhormone produziert, aber praktisch nie bösartig wird. Hinter Adenomen ohne Jodspeicherung („kalte Knoten“) können auch Karzinome stecken. Menschen mit einer Struma sollten regelmäßig nicht nur mit einer Blutbestimmung der Hormone kontrolliert werden, sondern es sollte auch regelmäßig eine Ultraschalluntersuchung gemacht werden, diese ist schmerz- und nebenwirkungslos. Denn nur so kann Größe und Wachstumstendenz der Knoten beurteilt werden.

Zu wenig 

Die Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) liegt bei ca. 5 % der Bevölkerung in Europa vor. Die häufigste Ursache ist einerseits ein Jodmangel und andererseits die Hashimoto-Autoimmunerkrankung. Aber auch andere Ursachen wie einseitige Ernährung („western style diet“), Mangel an Spurenelementen, hier sei an erster Stelle das Selen genannt. Selen ist wichtiger Bestandteil eines Enzymes, welches das wenig aktive T4 in das aktivere T3 umwandelt. Ursachen eines Selenmangel können ein strenger Veganismus und Vegetarismus, selenarme landwirtschaftliche Böden oder Malabsorption sein. 

Bei einer Schilddrüsenunterfunktion laufen Körper und Seele wie bereits eingangs erwähnt, „untertourig“. Der Puls ist langsam, es kann zu Wassereinlagerung kommen (Beinödeme), zu Leistungsabfall durch Abnahme der Pumpfunktion des Herzens, es wird weniger Fett verbrannt, das Cholesterin steigt an und auch das Körpergewicht nimmt zu. Bei Menschen mit einer Schilddrüsenunterfunktion findet man häufig depressive Verstimmung, Müdigkeit bis Apathie, schnelle Erschöpfung, Konzentrationsstörung. Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch unterziehen sich nicht selten einer wahren Behandlungsodysee. Die Ursache kann auch eine Störung der Schilddrüse sein. Die Empfängnis kann sowohl durch Über-als auch durch Unterfunktion negativ beeinflußt werden. Kommt es trotzdem zu einer Schwangerschaft, führt insbesondere eine Schilddrüsenunterfunktion in den ersten Monaten häufig zu einer Fehlgeburt. Statistisch sind ca. 10 % der ungewollt kinderlosen Frauen von einer Schilddrüsenstörung betroffen. Meist handelt es sich um eine Unterfunktion. Deshalb wird eine latente Schilddrüsenunterfunktion bei Frauen mit Kinderwunsch großzügig behandelt. 

Zu berücksichtigen ist auch, daß es in der Schwangerschaft zu einem um bis zu 50 % gesteigerten Bedarf an Schilddrüsenhormon kommt. Der tägliche Jodbedarf der Schwangeren ist deutlich höher als bei Nicht-Schwangeren. Das heranwachsende Kind im Mutterleib ist im ersten Drittel der Schwangerschaft völlig auf die Schilddrüsenhormone der Mutter angewiesen, und das ist entscheidend für die körperliche und geistige Entwicklung des Fötus. Ein Mangel an Schilddrüsenhormonen des Fötus kann zu schweren geistigen und körperlichen Schäden führen (Kretinismus). 

Unabhängig von der Ursache (oft Hashimoto-Thyreoditis) wird die Schilddrüsenunterfunktion der Mutter mit Schilddrüsenhormontabletten (L-Thyroxin) behandelt. Die Therapie hat weder für Mutter noch für das heranwachsende Kind, bei richtiger Dosierung unter regelmäßigen Kontrollen, keine negativen Nebenwirkungen.

Zu viel

Bei einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) handelt es sich um einen Überschuss an Schilddrüsenhormon. Körper und Seele laufen übertourig. 

Da das Herz ein wesentliches Zielorgan der Schilddrüse ist, kommt es bei einer Überfunktion zu typischem „Herzrasen“ oder „Herzstolpern“. Auch der Blutdruck ist meist erhöht und ein Vorhofflimmern kann sich entwickeln. Es kommt häufig zu einer Fettmobilisierung und zu Abbau von Speicherfett, damit oft zu einer Gewichtsabnahme und Abnahme des Cholesterinspiegels. Ein vermehrter Knochenabbau kann zur Osteoporose führen. Dabei möchte ich anmerken, dass Wachstumsstörungen von Haaren und Nägel, insbesondere Haarausfall sowohl bei Über- als auch bei Unterfunktion der Schilddrüse auftreten.

Menschen mit einer Schilddrüsenüberfunktion sind häufig nervös, schreckhaft, leicht erregbar bis aggressiv. Sie schwitzen leicht und haben Schlafstörungen.

Die häufigste Ursache ist die sogenannte Basedow-Krankheit, bei der eine Fehlfunktion des Immunsystems zu einer vermehrten Hormonproduktion führt, die Schilddrüse reagiert nicht mehr auf die Kontrolle der Hirnanhangsdrüse. Solche autonomen Schilddrüsenzellen bilden oft Knoten, sogenannte autonome Adenome. Selten findet man auch im Zusammenhang mit Morbus Baseow, die sogenannte endokrine Orbitopathie (hervorstehende Augen). Die Diagnose wird aufgrund der Beschwerden des Betroffenen mittels Blut- und Ultraschalluntersuchung gestellt. 

Wie bei jedem Knoten sollte eine Schilddrüsenszintigraphie durchgeführt werden, um einen warmen oder heißen Knoten von einem kalten Knoten unterscheiden zu können. (Hinter einem kalten Knoten kann sich ja auch ein Karzinom verbergen).

In der Behandlung wird die Überfunktion durch Tabletten gebremst, sogenannten Thyreostatika. Eine etwaige endokrine Orbitopathie wird mit Selen behandelt. Wenn sich die Überfunktion der Schilddrüse beruhigt hat unter den Thyreostatika, wird die weitere Behandlung entweder die Schilddrüsenoperation oder eine Radiojodtherapie sein, denn Thyreostatika können, vor allem bei längerer Anwendung, zu Nebenwirkungen führen, auf die unter einer Therapie mit Thyreostatika genau und regelmäßig geachtet werden muss. Bei der Radiojodtherapie wird eine Kapsel mit radioaktivem Jod geschluckt, dieses reichert sich in der Schilddrüse an und zerstört die überaktiven Schilddrüsenzellen. 

Eine besondere Situation stellt die Schilddrüsenüberfunktion bei Frauen mit Kinderwunsch dar. Die Schilddrüsenüberfunktion muss vor Eintritt einer Schwangerschaft unbedingt saniert werden, da die Thyreostatika in der Schwangerschaft nicht eingenommen werden dürfen. Unter Thyreostatikatherapie muss eine kontinuierliche Verhütung gewährleistet sein, nach erfolgter Radiojodtherapie sollte eine Schwangerschaft für 6 Monate vermieden werden. Tritt eine Hyperthyreose bei einer Schwangeren auf, sollte man sich an ein Fachzentrum wenden, da hin und wieder die Hyperthyreose der Schwangeren behandelt werden muss im Bewusstsein der erhöhten Missbildungsrate.

Fazit

Schilddrüsenfunktionsstörungen sind sehr häufig. Man soll auf entsprechende Symptome achten (übertourig-untertourig). Weiters ist auf eine ausreichende Jodprophylaxe zu achten. Im Schilddrüsenstoffwechsel spielen neben den Vitaminen B und D vor allem auch das Spurenelement Selen eine zentrale Rolle, das vom Körper nicht gebildet werden kann und ebenfalls ausreichend zugeführt werden muss so wie Jod, vor allem bei Kinderwunsch und Schwangerschaft. Selen schützt die Schilddrüse vor oxidativen (zellschädigenden) Prozessen und Selen ist vor allem an der Umwandlung von T4 in das viel stärker wirksame T3 beteiligt. Ein Selenmangel kann zu einer Schilddrüsenunterfunktion führen. Selen kann Entzündungsprozesse der Schilddrüse mildern, deshalb wird Selen auch als Nahrungsergänzungsmittel bei der Hashimoto-Entzündung eingesetzt.

Daneben ist Selen wichtig für gesunde Haare, Finger- und Zehennägel. Selen findet man in der Nahrung vor allem in Nüssen, verschiedenen Kohlarten, Pilzen und Linsen. Ein Selenmangel kann bei strengen Veganern und Vegetariern, bei Schwangeren, bei einseitiger Ernährung (Alkoholkranke, Senioren), bei chronischen Verdauungsstörungen, auftreten.  Interessant ist auch das Ergebnis eines Forschungsprojektes der Schweiz, das aufzeigte, dass viele Böden in Europa auffallend selenarm sind und dies mit dem Klimawandel zusammenhängt.

Abschließend noch eine Anmerkung aus meiner Praxis: Die Ursache „unklarer Gewichtszunahme“ ist in der Regel Bewegungsarmut und übermäßige Kalorienzufuhr, zum Leidwesen vieler Patienten liegt keine Schilddrüsenunterfunktion vor.

Quellennachweis: Deutsches Schilddrüsenzentrum Köln; Österreichische Schilddrüsengesellschaft; Eawag Schweiz; Gesundheitsportal Österreich.

Autoreninfo:

Dr. med. Herbert Zack

Dr. med. Herbert Zack ist Facharzt für Innere Medizin und führt seine Ordination seit 1998 in 7540 Güssing, Hauptplatz 1/1/13. Sein Motto: Zuhören – Meinung bilden – dahinterstehen.

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