In der Mitte
liegt die Kraft

Wie gesund wir sind, hängt maßgeblich davon ab, was unser Verdauungsapparat zum Arbeiten bekommt.  

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Von Mag.a Ines Siegl


Wie gesund wir sind, hängt maßgeblich davon ab, was unser Verdauungsapparat zum Arbeiten bekommt. Deshalb sehen wir uns diesmal im Schwerpunktthema Magen-Darm-Gesundheit an, wie Bitter- und Ballaststoffe, Bakterien, Bioprodukte und Basenbildner nicht nur unsere Verdauung ins Gleichgewicht bringen, sondern auch die Lebenskraft stärken.

Verdauung ist Teamwork. Mundhöhle, Rachen, Speiseröhre, Magen, Darm, Leber, Galle und Bauchspeicheldrüse spielen zusammen, damit Nahrung eingenommen, zerkleinert, weitertransportiert und verdaut wird und die Nährstoffe aufgenommen und Reste wieder ausgeschieden werden. 

Aufgrund dieses komplexen Zusammenspiels schreiben östliche Heiltraditionen dem Magen-Darm-Trakt (Gastrointestinaltrakt) eine besondere Bedeutung für die Gesundheit zu. Auffälligkeiten und Probleme bei der Verdauung werden als unmissverständliche Zeichen des Körpers gedeutet, dass etwas aus dem Lot ist. Wohingegen es bei uns üblich ist, Blähungen oder Sodbrennen als lästige Nebenerscheinung abzutun sowie Verstopfung oder eine zu geringe Magensäurebildung dauerhaft mit Medikamenten zu behandeln.

Hinzu kommt die weitverbreitete Fehlernährung durch stark raffinierte und industriell denaturierte Nahrungsmittel – zu viel, zu fett, zu spät – und mangelnde Bewegung. Sie lösen bei rund jedem fünften Erwachsenen in den Industrienationen chronische Verstopfung aus. 

Das führt zu hartem Stuhlgang, starkem Pressen und begünstigt das Auftreten von Hämorrhoiden und Divertikulose (Ausstülpungen der Darmwand). Mit unangenehmen Folgen, die die Lebensqualität der Betroffenen massiv einschränken (Bauchschmerzen, Blähungen, Blutungen beim Stuhlgang, Druck- und Völlegefühl sowie Juckreiz im After). 

Dabei lässt sich zu jedem Zeitpunkt einlenken – im Moment, wenn erste Anzeichen auftreten, und selbst dann, wenn bereits chronische Erkrankungen eingetreten sind. Voraussetzung ist, einige Grundlagen der guten Verdauung zu berücksichtigen und sie nach und nach in die Lebensroutinen zu integrieren. 

„Ohne richtige Ernährung ist Medizin nutzlos, mit richtiger Ernährung ist Medizin unnötig.“

Bitterstoffe

Zu den wichtigen Faktoren zählen die Bitterstoffe: sekundäre Pflanzenstoffe mit der Aufgabe, Pflanzen vor Fressfeinden zu schützen. Bei uns Menschen ist ihnen das zum großen Teil gelungen, denn Bitteres landet heute, wenn überhaupt, nur in sehr geringen Mengen auf unseren Tellern. Bei manchen Bitterstoffen durchaus gerechtfertigt, da sie giftig sind. Bei anderen Bitterstoffen ist das jedoch sehr zu unserem Schaden, denn sie beeinflussen die Gesundheit nachweislich positiv. 

Ein Sprichwort sagt sogar: „Bitter im Mund, im Magen gesund.“ Es könnte von Paracelsus oder Hildegard von Bingen stammen, die Bitterstoffe einsetzten, weil sie die Verdauung anregen und regulieren. Heute wissen wir warum: Bitterstoffe kurbeln die Bildung von Magen- und Gallensekret an und fördern den Appetit, die Fettverdauung und die Darmperistaltik (Zusammenziehen der Muskulatur zum Transport des Nahrungsbreis). 

Nach neueren Erkenntnissen befinden sich Rezeptoren für Bitterstoffe nicht nur im Mund und Gastrointestinaltrakt, sondern auch in den Atemwegen, im Gehirn und in der Bauchspeicheldrüse. Dort tragen sie dazu bei, das Immunsystem zu stimulieren, Keime zu bekämpfen, das Mikrobiom zu verbessern und die Ausschüttung von gastrointestinalen Hormonen zu begünstigen.

Der Konsum von bitteren Salaten und Gemüsen sollte daher regelmäßig – nach fernöstlicher Tradition jeden Tag – auf dem Speiseplan stehen. Zum Beispiel Zuckerhutsalat, Chicorée, Radicchio, Winterendivie, Rucola, Mangold, Kohlsprossen (Rosenkohl) oder Artischocke. Tees und Kräuterbitter (Schwedenbitter) bieten sich ebenso an. Wer sich schwer tut mit dem bitteren Geschmack und die therapeutischen Vorteile von Bitterstoffen trotzdem nutzen möchte, findet Alternativen in der Nahrungsergänzung. Hier empfehlen sich Tausendgüldenkraut, Olivenblatt-Extrakt, Yucca-Extrakt, Bittermelone und Grapefruitkern-Extrakt.

Europäischer Fettleibigkeitsbericht 2022

Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) bescheinigt mit ihrer neuesten Erhebung, dass mehr als die Hälfte der Erwachsenen (59 Prozent) und jedes fünfte Kind (20 Prozent) in der EU übergewichtig sind. Unterschiede gibt es zwischen den verschiedenen Ländern, aber auch zwischen den Geschlechtern – Männer schneiden mit 63 Prozent schlechter ab als Frauen mit 54 Prozent. Österreich und Deutschland liegen zwar etwas unter dem Durchschnitt, bedenklich ist die Lage aber auch hier. Die WHO spricht angesichts dessen von „epidemischen Ausmaßen“ – nur in Nord- und Südamerika sind die Zahlen noch höher. 

Ballaststoffe

Neben den Bitterstoffen zählen auch die Ballaststoffe (Faserstoffe) zu wichtigen Regulatoren des Verdauungstraktes, die in der Ernährung leider oft in zu geringem Maß vorkommen. Dabei liegt der Tagesbedarf für Erwachsene bei 30  Gramm pro Tag. Ballaststoffe stecken vorwiegend in pflanzlichen Lebensmitteln (Hülsenfrüchte, Salat, Obst, Gemüse, Nüsse, Vollkornprodukte). Wider ihrem Namen sind sie kein Ballast, sondern wichtige Quell- und Füllstoffe, die bis zum 100-fachen ihres Eigengewichts an Wasser binden können. Der Irrtum mit dem Ballast rührt daher, dass Ballaststoffe den Verdauungstrakt so gut wie unverdaut wieder verlassen, weil sie gar nicht oder nur in geringem Maße aufgespalten werden können. Ihre Aufgaben im Körper sind nichtsdestotrotz vielfältig:

  • regen die Darmtätigkeit an 
  • erhöhen Stuhlvolumen
  • lockern den Stuhl 
  • beugen Verstopfung vor
  • senken Cholesterinspiegel
  • helfen, den Blutzuckerspiegel zu regulieren
  • senken Krankheitsrisiko (Hämorrhoiden, Divertikulose, Darmkrebs, …)
  • tragen zum Sättigungsgefühl bei


Wie bei allem, was gut ist, gilt: Ballaststoffe sollten trotz ihrer gesundheitsförderlichen Wirkung nicht im Übermaß genossen werden. Sie können sonst zu Blähungen führen und den Mineralstoff-Haushalt aus dem Gleichgewicht bringen. Weil Ballaststoffe aufquellen, bedarf es einer entsprechenden Flüssigkeitszufuhr – viel Wasser trinken ist angesagt. 

Therapeutisch eingesetzt werden sie idealerweise in ihrer natürlichsten Form. Besonders hervorzuheben ist hier die Akazienfaser als hochwertige Ballaststoffquelle. Gewonnen aus dem Milchsaft der Seyal-Akazie enthält sie über 80 Prozent lösliche Ballaststoffe, ist geschmacksneutral und verhindert durch ihre komplexe Struktur die Bildung von Verdauungsgasen.

Dirty Dozen – Clean Fifteen

Das dreckige Dutzend“ und die „Sauberen Fünfzehn“ beziehen sich auf die Studien der „Environmental Working Group“ (EWG). Die US-Organisation listet darin jedes Jahr, welches Obst und Gemüse am meisten und am wenigsten mit Pestiziden belastet ist. Die Daten sind nicht direkt auf österreichische und deutsche Erzeugnisse übersetzbar. Sie geben aber eine Orientierung für die Pestizidbelastung in der konventionellen landwirtschaftlichen Produktion. Die „Clean Fifteen“ sind die 15 „saubersten“ Produkte mit der geringsten Schadstoffbelastung und das „Dirty Dozen“ sind die 12 „dreckigsten“ Produkte mit der höchsten Schadstoffbelastung.

Die „sauberen Fünfzehn“ (Clean Fifteen) 2022:

01.    Avocado
02.    Mais 
03.    Ananas 
04.    Zwiebeln
05.    Papaya
06.    Zuckererbsen 
07.    Spargel
08.    Honigmelone
09.    Kiwi
10.    Kohl 
11.    Pilze
12.    Zuckermelone
13.    Mango
14.    Wassermelone 
15.    Süßkartoffel 


Das „dreckige Dutzend“ (Dirty Dozen) 2022:

01.    Erdbeeren 
02.    Spinat 
03.    Grünkohl, Blattkohl, Senfsalate
04.    Nektarinen 
05.    Äpfel 
06.    Weintraube
07.    Paprika
08.    Kirschen 
09.    Pfirsich
10.    Birnen 
11.    Sellerie 
12. Tomaten

Bakterien

Ohne die große Anzahl nützlicher Mikroorganismen (Mikrobiom), die Körper und Darm besiedeln, wären wir Menschen nicht lebensfähig. Zwischen 400 und 500 Bakterienarten befinden sich im Magen-Darm-Trakt und bewerkstelligen einen bedeutenden Teil der Verdauung und Immunabwehr und produzieren lebenswichtige Vitamine und Stoffwechselprodukte (Verdauungsenzyme). Konkurrenz bekommen sie bei diesen Aufgaben von schädlichen (pathogenen) Bakterien, die durch einseitige Ernährung, Stress, Antibiotikaeinnahme oder Hormonpräparate (Antibabypille, Cortison etc.) überhandnehmen können.

Zu den guten Bakterien zählen Laktobakterien (Milchsäurebakterien), die nicht durch die Magensäure beschädigt werden und sich daher im Darm ansiedeln können. Sie zählen zu den Probiotika (pro = für, bios = Leben), kommen in Milchprodukten sowie in sich zersetzenden Pflanzen vor. Für eine gesunde Verdauung sollten sie in entsprechendem Maß konsumiert werden, beispielsweise in Form von Joghurt, Käse, Apfelessig und fermentierten Lebensmitteln wie Sauerkraut, Kimchi, milchsauer vergorenem Gemüse und Kombucha. Bei einer akuten Dysbiose (Fehlbesiedelung des Darms), wie sie nach der Einnahme eines Antibiotikums entstehen kann, sorgt hochwertige Nahrungsergänzung mit optimal abgestimmtem Bakteriengehalt für eine rasche und zuverlässige Wiederbesiedelung des Mikrobioms. Ideal sind Produkte, die mehrere Stämme der gesunden Milchsäurebakterien enthalten.

Auf die Folgen eines gestörten Mikrobioms machen wir im Magazin „Natur heilt“ immer wieder aufmerksam, denn sie reichen von Durchfall und Übergewicht über ein geschwächtes Immunsystem, Allergien und Unverträglichkeiten bis zu Autoimmunerkrankungen, psychischen Erkrankungen und Krebs. Dabei beobachten wir in der Praxis immer wieder, dass sich die Beschwerden durch Stärkung des Mikrobioms lindern lassen. Die Maßnahmen zur Stärkung setzen sich idealerweise aus mehreren Faktoren zusammen, beginnend bei der Entgiftung und Entlastung des Verdauungsapparates über die Ansiedelung von gesundheitsförderlichen Laktobakterien (Milchsäurebakterien) bis zur Anpassung der Ernährung, damit sich die guten Bakterien etablieren können. 

Bio-Produkte

Wertvoll für die Magen-Darm-Gesundheit sind auch Produkte aus biologischem Anbau, da sie mit erheblich weniger Schadstoffen belastet sind als konventionell erzeugte. Denn um ein Biosiegel tragen zu können, muss das Erzeugnis aus ökologisch kontrolliertem Anbau stammen – ohne Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel – und darf nicht gentechnisch verändert sein. Es darf nicht bestrahlt werden und ihm dürfen nur gewisse Lebensmittelzusatzstoffe zugesetzt werden. Tiere, die Eier, Milchprodukte und Fleisch liefern, müssen aus artgerechter Haltung stammen und dürfen nicht mit Antibiotika oder Hormonen behandelt werden. All diese Faktoren sprechen für den Verzehr von Bio-Produkten, da konventionelle Erzeugnisse mit hoher Schadstoffbelastung Nebenwirkungen mit sich bringen können.

Diese reichen von einer erhöhten Anfälligkeit gegenüber bestimmten Krankheitserregern (Glyphosat) bis hin zu Fruchtbarkeitsstörungen und erhöhtem Brustkrebsrisiko bei Pestiziden mit hormonähnlicher Wirkung. Kleine Dosierungen reichen schon aus. Studien aus den USA legen sogar nahe, dass sich pestizidbelastete Lebensmittel negativ auf die Hirnentwicklung von Kindern auswirken, wenn die Mütter in der Schwangerschaft mit organischen Phosphaten belastete Lebensmittel konsumieren. Die Kinder hatten einen messbar geringeren Intelligenzquotienten. 

Mineralstoffreiche Basensuppen

Von Dr. med. Michael Ehrenberger in seinem Buch LEBE!

Verschiedene biologische Gemüsesorten, die über und unter der Erde wachsen, zwei Stunden auf kleiner Flamme köcheln, den klaren Sud löffeln, nur (wenig!) Himalayasalz verwenden. Das Gemüse erst ins Wasser geben, wenn es kocht. Besonders beliebt sind: Karotten, Kartoffeln, Petersilienwurzeln, Sellerie in Kombination mit Lauch, Selleriegrün, Stangensellerie, frische Kräuter wie Petersilie und Schnittlauch.

Basenbildner

Als Basenbildner bezeichnen wir jene Nahrungsmittel, die im menschlichen Stoffwechsel basisch (alkalisch) wirken, worüber der pH-Wert Aufschluss gibt. Für die Verdauung ist das relevant, weil die Zusammensetzung aus Säuren und Basen in der Ernährung maßgeblich den Säure-Basen-Haushalt des Körpers beeinflusst und der wiederum dazu beiträgt, dass alle Stoffwechselprozesse optimal ablaufen können. Optimal ist ein leicht basischer Blut-pH-Wert zwischen 7,35 und 7,45. Um Krankheiten zu vermeiden, setzt unser Körper alles daran, diesen Wert konstant zu halten. Ist das nicht möglich, werden die basischen Puffer des Körpers angezapft, was langfristig den ganzen Organismus schwächt. Die anschließenden Beiträge zum Schwerpunktthema Magen-Darm-Gesundheit stehen daher ganz im Zeichen der basenbildenden Mineralstoffe sowie der Säuren und Basen.

Der Arzt der Zukunft wird den menschlichen Körper nicht mehr mit Medikamenten     behandeln, sondern Krankheiten durch Ernährung heilen und verhindern.“

Back to Basics

Zur Stärkung der Mitte, dem Sitz unserer Lebenskraft, setzen Heiltraditionen wie TCM (traditionelle chinesische Medizin) und TEM (traditionelle europäische Medizin) auf Prävention und aufs Erlangen des natürlichen Gleichgewichts des Körpers. 

Ganzheitsmedizinische Ansätze vereinen dieses alte praktische Wissen mit den neuen Erkenntnissen der Medizin, wie der Rolle von Mikroorganismen, Ballast- und Nährstoffen. Individuelle Ernährungskonzepte sind dabei ebenso wichtig wie die Basics einer schonenden Ernährungsweise: 

  • regelmäßig essen
  • in Ruhe und bewusst essen
  • nicht zu spät essen
  • warmes Frühstück bevorzugen
  • leichtes Abendessen (gekocht)
  • Ungünstiges in Maßen genießen (Rohkost, Süßes, Kaltes, Fettes, Gegrilltes und Frittiertes)


Eine Anpassung der Ernährungsweise ist oft erst motiviert durch entsprechenden Leidensdruck, schließlich essen wir nicht nur aus Notwendigkeit, sondern auch aus Genuss, Tradition und Gewohnheit. 

Leichter tut sich, wer die Umstellung als wohltuende Bereicherung gestaltet und sich nicht schlagartig aller Laster entledigt, was oft in einen Kreislauf aus Scheitern und Demotivation übergeht. Denn entlastet werden kann täglich ein bisschen durch das Fördern eines gesunden Mikrobioms, den Konsum von Bitter- und Ballaststoffen sowie mineralstoffhaltigen, nährstoffreichen Lebensmitteln, die den Säure-Basen-Haushalt des Körpers ausgleichen. 

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