Wir leben, zumindest in den westlichen Industriestaaten, in einer Zeit des Überflusses.
Von Dr. med. Michael Ehrenberger
Wir leben, zumindest in den westlichen Industriestaaten, in einer Zeit des Überflusses. Für viele von uns ist es ganz normal, jederzeit Zugang zu verschiedenen Speisen zu haben, durch die modernen Medien werden wir mit Informationen überhäuft und Sport betreiben wir am liebsten sitzend vor dem Fernseher. Wie es Konrad Lorenz einmal ausdrückte, sind wir Meister der „Unlustintoleranz“ geworden. Wir bezahlen dafür aber einen hohen Preis, konkret gesagt, wir bezahlen mit einer Zunahme der chronischen Krankheiten und einem Schwinden der allgemeinen Gesundheit.
Wir können es drehen und wenden wie wir wollen, wir können auch mit dem Kopf gegen die Wand laufen oder versuchen unter einem Regenbogen durchzugehen, es bleibt wie es ist: der menschliche Körper ist nicht dazu geschaffen, permanent Nahrung zu sich zu nehmen. Kürzere oder längere Zeiten ohne feste Nahrung sind ein wichtiger Teil unserer Gesundheit, evolutionär bedingt und in allen traditionellen Heilsystemen und Religionen fest verankert. Sie sind so fest in uns verankert, dass ich als Arzt sogar von einer gesundheitlichen Notwendigkeit spreche, Fastenzeiten regelmäßig einzuhalten. Fasten bedeutet, dass wir freiwillig regelmäßige Pausen einlegen und dies nicht nur bei der Nahrungsaufnahme. Man kann auch einmal freiwillig verzichten auf Fernsehen, Handy oder Zigaretten. Dieser freiwillige Verzicht schult den Willen und schärft den Verstand. Viele Menschen, die an einem Typ II Diabetes leiden, würden gut daran tun zu erkennen, dass sie nicht an Diabetes leiden, sondern an einer Willensschwäche, die zu Übergewicht, Gefäß-, Augen-, Nieren- und Nervenschäden führt, erst dann kann man von Ehrlichkeit sprechen.
Fasten hilft dabei, die Unlustintoleranz zu überwinden und in einen natürlichen Rhythmus zurückzukehren. Natürlich braucht man dazu Willensstärke und den Mut zu einer Veränderung.
Arten des Fasten
Der Beginn: Keine Zwischenmahlzeiten mehr – Der bewusste Verzicht auf Zwischenmahlzeiten kann der Beginn einer persönlichen Fastenkultur sein. Vormittags- bzw. Nachmittagsjause können getrost gestrichen werden, insofern man bereit ist, die anderen Essenszeiten einzuhalten und vernünftige Lebensmittel zu sich nimmt. Je mehr wir in der Früh jedoch Zucker, Weißmehl oder süße Brotaufstriche (z.B.: Nutella) zu uns nehmen, desto schneller kommt der Hunger wieder und „zwingt“ uns zu einer Vormittagsjause, die „gesellschaftlichen Verpflichtungen“, z.B. in Firmen lassen wir dabei einmal beiseite. Es kann jedoch ganz lustig sein, einmal statt Brot und Aufstrich nur ein Glas Wasser zu sich zu nehmen. Sehr schnell wird dabei der Verdacht geäußert, dass man krank sei, dabei handelt es sich ja nur um eine Maßnahme gesund zu bleiben.
Stufe zwei: Intervallfasten – Intervallfasten nennt man den Verzicht auf die Zufuhr von fester Nahrung für eine Zeit von ca. 16 Stunden. Bei dieser Variante des Fastens braucht man schon etwas mehr Disziplin. Idealerweise eignet sich dazu ein spätes Mittagessen und danach der Verzicht auf das Abendessen (Dinner Cancelling), natürlich auch auf Zwischenmahlzeiten. Man kann auch eine andere Variante wählen, indem man ein frühes, leichtes Abendessen zu sich nimmt und am nächsten Morgen auf das Frühstück verzichtet. Ich persönlich verzichte lieber auf das Abendessen und freue mich, wenn ich am nächsten Morgen mit Hunger aufwache. Zum Thema Hunger kommen wir aber noch.
Stufe drei: Vollfasten – „Vollfasten“ klingt dramatisch, ist es aber nicht. Ich verstehe darunter den Verzicht auf feste Nahrung in einer Zeitspanne von 36 Stunden, bis zu 7 Tagen (oder länger). Man kann die Zeitspanne individuell wählen, wichtig ist jedoch, die gewählte Zeit auch einzuhalten, sonst kann es sein, dass man sich als „Versager“ fühlt und dieses Gefühl sollte nicht eintreten. Mein Tipp ist also, sich zu Beginn eine kürzere Zeit vorzunehmen, verlängern kann man immer noch.
Die meisten Menschen, die sich für ein Vollfasten entschieden haben, sehen sich zumeist drei Problemen gegenüber. Das erste Problem ist die unbewusste Angst zu verhungern. Auch wenn das Wachbewusstsein sagt: „es kann Dir nichts passieren“, das Unterbewusstsein spielt uns dennoch oft einen Strich durch die Rechnung. Nachdem ich schon viele Fastenseminare geleitet habe, darf ich Ihnen versichern, dass Sie auch nach sieben Tagen Fasten nicht verhungert sind. Ganz im Gegenteil. Ich habe oft erlebt, dass sich die Energie der Teilnehmer nach dem dritten Tag deutlich erhöht hatte und wir in der Lage waren, aktiv Sport zu betreiben.
Der zweite Feind des Fastenden ist der Hunger. Wir sind es fast nicht mehr gewöhnt, ehrlichen Hunger zu empfinden. Sehr schnell wird in der heutigen Zeit des Überflusses ein aufsteigendes Hungergefühl mit einer Zwischenmahlzeit im Keim erstickt, ohne dass man es ehrlich empfinden kann. Freunden Sie sich mit Ihrem Hunger an, geben Sie ihm nicht sofort nach und Sie werden sehen, wie er die Macht über Sie verliert. Wenn Sie sich entschließen mehr als drei Tage zu fasten, werden Sie erleben, dass nach spätestens dem dritten Tag das Gefühl des Hungers verschwindet, es kommt zumeist erst am Ende der selbst gewählten Fastenzeit wieder.
Das dritte Handicap beim Fasten ist die Versuchung. Diese kann von guten Freunden ausgelöst werden, von Gerüchen, aber auch nur durch einen Werbespot. Bei der Versuchung können Sie beginnen Ihren Willen zu stärken. Die so erreichte Willenskraft kann Ihnen in ganz anderen Lebenssituationen durchaus nützlich sein.
Regeln für das „Vollfasten“
Führen Sie ausreichend Flüssigkeit zu – Wenn Sie fasten, dann kann es leicht passieren, dass Ihr Durstgefühl abnimmt. Bitte trinken Sie trotzdem ausreichend Wasser oder ungesüßten Kräutertee. Der Urin sollte während der Fastenzeit hell sein, wenn er dunkel wird, dann erhöhen Sie bitte die Trinkmenge. Mineralwasser mit Kohlensäure eignet sich nicht als Durstlöscher und belastet die Nieren. Ideal geeignet ist Quellwasser, Leitungswasser oder gefiltertes Wasser.
Fastensuppe bzw. Smoothies – Während der Fastenzeit sollte man eine Basensuppe zu sich nehmen (siehe Rezept auf dieser Seite). Es handelt sich dabei um eine Gemüsesuppe, die bei ca. 60 Grad („Kaltauszug“) mehrere Stunden zubereitet wird. Man kann diese Suppe mit Kräutern würzen, jedoch nicht mit Salz. 2-3 Tassen der Suppe am Tag erleichtern die Fastenzeit, denn sie schmeckt gut und gibt dem Körper Wärme. Außerdem enthält sie wertvolle Mineralstoffe und Vitamine.
Wenn man will, kann man auch Smoothies zu sich nehmen, ich rate jedoch davon ab, Früchte zu verwenden, denn diese belasten die Leber. Bedeutend besser eignet sich rohes Gemüse, da es weit weniger Zucker enthält, dafür mehr Mineralien und auch Vitamine.
Der Darm
Besonders wenn man über 36 Stunden fastet, sollte man trotzdem darauf achten, den Darm regelmäßig zu entleeren. Dies klingt zwar etwas eigenartig, ist es aber nicht. Der Darm hat natürlich während der Fastenzeit nicht „nichts“ zu tun. Im Darm tummeln sich Billionen von Bakterien, die alle nur darauf warten, endlich einmal von Zucker und Weißmehl in Ruhe gelassen zu werden. Fasten bedeutet daher natürlich auch Darmregeneration und diese ist bei vielen von uns dringend notwendig. Unser Darm ist die Schaltzentrale für das Immunsystem und regelmäßiges Fasten – auch wenn es „nur“ Intervallfasten ist – hilft, die Schaltzentrale aufzuräumen. Chronische Krankheiten können dadurch vermieden und auch ausgeheilt werden.
Sollte es bei längeren Fastenzeiten dazu kommen, dass der Stuhlgang völlig versiegt, dann kann man mit Einläufen oder Darmspülungen nachhelfen. Auch die Einnahme von Glaubersalz zu Beginn der Fastenkur hilft, den Darm gründlich zu reinigen.
Die Leber
Für jeden Fastentag ist Ihnen Ihre Leber dankbar. Unsere Leber ist mit ca. 1.200 g der eigentliche Dirigent unseres Körpers. Die chinesische Medizin lehrt uns, dass die Leber „die Mutter des Herzens“ sei. Die Leber ist in der Tat unser wichtigstes Stoffwechselorgan. Sie funktioniert wie ein großer Hafen, in dem alle ankommenden Waren verarbeitet und alle Abfälle (in den Darm) abgegeben werden. Aufnahme und Abgabe müssen streng geregelt sein, sonst bricht die ganze wunderbare Logistik zusammen.
In der Zeit des Fastens kann sich die Leber auf eine Aufgabe konzentrieren, dies bedeutet, dass sie sich auf die Abgabe von Stoffwechselprodukten konzentriert. In dieser Zeit ist es endlich möglich, den Körper von diversen Lasten zu befreien, ohne dass neue hinzukommen. Diese Regulation der Körpersäfte ist enorm wichtig für unsere Gesundheit. In der Fastenzeit kann sich die Leber damit beschäftigen, den Körper gründlich zu reinigen. Wenn man mehr als 36 Stunden fastet, dann merkt man eine gewisse Müdigkeit, Schläfrigkeit und vielleicht auch leichte Kopfschmerzen. Diese Symptome verschwinden aber bald, danach nimmt die Lebensenergie sehr schnell zu.
Ich habe während der Fastenkuren, die ich leiten durfte, immer die Blutwerte der Teilnehmer kontrolliert. Regelmäßig, ohne Ausnahme, hatten sich die Leberwerte verbessert. Dies ist für mich ein deutliches Zeichen dafür, dass Fasten eine positive Wirkung auf unsere Gesundheit hat. Dieser Effekt tritt auch dann ein, wenn wir Intervallfasten praktizieren, dies jedoch mindestens dreimal in der Woche.
Die Atmung
Wer fastet, der sollte atmen lernen. Die Atmung ist es, die unsere Körperrhythmen steuert. Keine andere Funktion kann so bewusst gesteuert werden. Die Steuerung der Atmung hat Einfluss auf unseren Herzrhythmus und dieser wiederum auf alle Organe. Es zahlt sich also aus, wenn wir eine bewusste Atmung erlernen. Dies kann durch verschiedene Techniken erreicht werden, Yoga, Tai Chi, Qi Gong oder auch nur einfache Stimm- und Singübungen.
Je tiefer wir in den Bauchraum atmen, desto mehr erhöht sich unsere Lebensenergie, gerade in Fastenzeiten können wir dies sorgfältig üben, da wir uns die Essenszeiten sparen.
Die Niere
Jeder gesunde Mensch besitzt zwei Nieren, wobei eine allein in der Lage ist, die ganze Arbeit zu leisten. Wie ich schon erwähnte, nimmt in der Fastenzeit das Durstgefühl ab. Trotzdem ist es unbedingt notwendig, eine gewisse Trinkmenge einzuhalten. Am besten kontrolliert man seine Trinkmenge an der Farbe des Urins. Ist die Farbe dunkel, dann ist bereits „Feuer am Dach“, dies bedeutet, dass man mehr trinken sollte. Leider musste ich auch miterleben, dass sich bei Fastenden eine starke Übersäuerung einstellte und die hat dann manchmal zu einem Gichtanfall geführt.
Mein Tipp: auch wenn Sie während des Fastens kein Durstgefühl verspüren, trinken Sie bitte trotzdem. Wasser ohne Kohlensäure, Basensuppe ohne Salz und Smoothies ohne Früchte sind wunderbare Flüssigkeitsspender.
Die Haut
Während einer Fastenzeit ist die Haut besonders gefordert. Es kann sein, dass Hautunreinheiten entstehen und man mit seinem „Gesamtbild“ zu Beginn gar nicht zufrieden ist. Dies gibt sich aber, bitte haben Sie keine Angst davor. Wichtig ist es, natürliche Kosmetikprodukte zu verwenden. Wenn man glaubt, dass man weiterhin Erdölprodukte verwenden kann, nur weil sie billig sind, dann ist man auf dem falschen Weg. Die Haut ist der Spiegel der Seele und während der Fastenzeit kann man tief in die eigene Seele blicken.
Natürliche Produkte, angereichert mit wertvollen Kräutern, Produkte mit Meersalz, Peelings, Sauna, Massage mit natürlichen Ölen helfen auch der Haut zu regenerieren und sich zu erholen.
Wer sollte fasten?
Diese Frage zu beantworten ist nicht ganz einfach. Für mein ärztliches Verständnis sollte jeder gesunde Mensch Fastenzeiten einhalten. Ob man sich dabei auf die einfachste Variante einlässt, keine Zwischenmahlzeiten mehr zu konsumieren oder vielleicht ein Intervallfasten ausprobiert, dies bleibt uns selbst überlassen. 36 Stunden oder mehr sind, wie schon gesagt, kein Problem und sogar sehr anzuraten für Menschen, die gesund sind und an keinen chronischen Krankheiten leiden. Fasten ist – durch unsere Evolution bedingt – ein wichtiger Beitrag zu Erhaltung der Gesundheit.
Menschen, die an chronischen Krankheiten leiden (Diabetes, Darmentzündungen, Krebs, usw.) sollten sich von einem Fastenarzt beraten lassen und niemals allein beginnen zu fasten. In diesem Fall ist Fachkompetenz gefragt und ärztliche Ratschläge sind unbedingt einzuhalten. Der Idealfall wäre es, eine Fastenklinik aufzusuchen.
Zutaten:
- 250 g Kartoffeln, klein geschnitten mit Schale
- 50-100 g Gemüse entsprechend der Jahreszeit (Petersilienwurzel, Sellerie, Karotten, Liebstöckel, Krautblätter, Fenchel, Löwenzahn, Brennnessel, Lauch, Ingwer, Weißkohl, Zwiebel, Zucchini)
- Gewürze: Lorbeerblätter, Gewürznelken, Wachholderbeeren, Muskatnuss, Majoran, Kümmel, Zwiebel, Knoblauch (die Auswahl erfolgt nach persönlichem Geschmack)
Zubereitung:
- Kartoffeln, Gemüse und die anderen Zutaten gut gereinigt in einem Liter Wasser in einem genügend großen Topf erhitzen.
- Die Brühe insgesamt 2 Stunden bei niedriger Temperatur vor sich hin köcheln / simmern lassen, danach werden die festen Bestandteile durch ein Sieb abgeseiht.
Verwendung: Die festen Bestandteile werden nicht verwendet, da sämtliche Mineralstoffe und Spurenelemente herausgelöst wurden. Nur die Brühe wird gegessen bzw. getrunken.