
Vom Frost
geküsst:
heimisches
Wildobst
„Hetschepetsch“ wurde sie früher genannt und das Spannendste an ihr waren die Kerne.
Schmackhafte Blüten
Die Hagebutte, also der fleischig gewordene Blütenboden der Heckenrose, steckt voller solcher gesunder Stoffe. Neben dem Vitamin C enthält diese süß-saure Nährstoffbombe die Vitamine A, B1 und B2, sekundäre Pflanzenstoffe wie das Lycopin, Flavonoide, Spurenelemente (Natrium, Eisen, Selen, Mangan, …) und vieles mehr. Ist die Hagebutte einmal reif, erstrahlt sie wahrlich in einem intensiven Rot. So bietet sie im Winter für Waldtiere eine leicht zu findende, vitaminreiche Nahrung, wenn diese durch verschneite Waldabschnitte streifen. Mitte September reifen die frühen Sorten der Hagebutte. Zu diesem Zeitpunkt ist die Frucht noch hart und lässt sich am besten nach dem Kochen zu Mus oder Marmelade verarbeiten. Doch wer warten kann, wird belohnt: Mit der ersten Frostperiode wird das Fruchtfleisch weich und süßlich. Je länger die Hagebutte an der Staude hängt, desto süßer wird auch ihr Geschmack. Nachdem in unseren Breitengraden üblicherweise Ende Oktober die nächtlichen Temperaturen unter null Grad fallen, ist die Periode zwischen Oktober und Februar die perfekte Erntezeit für Feinschmecker, die die Hagebutten roh und direkt vom Strauch genießen wollen. Auch nach mehrmaligem Einschneien und Durchfrieren lässt sich eine Hagebutte problemlos genießen – wobei man die Kerne weglassen sollte. Aus den Kernen kann wiederum ein pflegendes Öl gewonnen werden, das in der Kosmetik eingesetzt wird. Orientieren wir uns daran, was die Natur zu verschiedenen Jahreszeiten für Früchte trägt, so sehen wir, dass die Hagebutte mit ihrem bioverfügbaren Vitamin C die perfekte Nahrung für die dunkle Erkältungszeit darstellt. Als Tee eignet sie sich hervorragend, um das Immunsystem zu fördern, allerdings auch, um Übelkeit, Erbrechen und Durchfall zu stoppen und die Magenschleimhaut zu regenerieren.
Obwohl Ascorbinsäure bei hohen Temperaturen üblicherweise zerfällt, zeigen neue Erkenntnisse, dass das Vitamin C der Hagebutte eine gewisse Hitzebeständigkeit aufweist. Erklären lässt sich das wiederum durch das Zusammenspielen mit den begleitenden Stoffen, denn diese Thermoresistenz wird nur bei Anwesenheit von Enzymen und Fruchtsäuren der Hagebutte beobachtet.
Die Vögel machen’s vor
Zusammen mit der Hagebutte stellen die Beeren des Sanddorns eine der seltenen winterlichen Nahrungsquellen dar. Die orangen, in Trauben angeordneten Beeren locken vor allem Standvögel, also Vogelarten wie den Fasan, die zur kalten Jahreszeit nicht in den Süden fliegen, an. Ursprünglich aus Nepal eingewandert, gelten Sanddornbeeren mittlerweile zum heimischen Wildobst mit dem zweithöchsten Gehalt an Vitamin C – gleich nach der Hagebutte! Auch hier vereint die Pflanze wieder viele Vitamine und Nährstoffe in einer Beere: Vitamin A und E, Gerbstoffe, Beta-Carotin und Mineralstoffe, sogar ungesättigte Fettsäuren lassen sich finden. Aufgrund einer Symbiose mit Bakterien auf der Schale der Beeren enthält der Sanddorn sogar geringe Mengen des B12-Vitamins – also auch hier ist der Beiname „Vitalstoffbombe“ redlich verdient. An ihre Umgebung stellt die Sanddornstaude keine hohen Ansprüche. Karge, trockene Böden können diese Pionierpflanze nicht aufhalten. Dies gelingt dank einer weiteren Bakterien-Symbiose. Sogenannte Frankia-Bakterien leben auf und an den Wurzeln der Staude und binden den Luftstickstoff. Dadurch düngt sich der Sanddorn fast schon von selbst. Wie bei der Hagebutte finden wir in den Kernen der Sanddornbeere wertvolle Öle, auch Sanddorn-Öl kennt man von Kosmetikprodukten. Es bietet eine unterstützende Funktion bei der Wundheilung und lindert Effekte bei Sonnenbrand. Wer hätte gedacht, dass sich die hübschen orangen Beeren vom Straßenrand in so breiten Einsatzgebieten bewähren . . .
Apfel oder Birne? Warum nicht beides!
Als letzten Vertreter des heimischen Wildobsts möchte ich Ihnen die Quitte vorstellen. Auch bei der Quitte gibt es ein paar Punkte zu beachten, bevor man sich an den Verzehr heranwagt. Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen zwei verschiedenen Familien: den Apfel- und den Birnenquitten, die sich in Aussehen und Geschmack unterscheiden. Die bei uns heimischen Arten sind nicht zum rohen Verzehr geeignet! Eine reife Quitte wird von einer festen Schale, umgeben von einem bitteren Saum, geschützt. Die feinen Härchen auf der Oberfläche der Frucht sind voller Gerbstoffe, was ihnen ihren bitteren Geschmack verleiht und nach dem Verzehr ein pelziges Gefühl im Mund (ähnlich wie beim Spinat) zurücklässt. Dieser Saum wird vor dem Verarbeiten typischerweise mit einem groben Tuch abgerieben, nach dem Schälen kann die Quitte gekocht, gedünstet oder gebacken werden. Sollten Sie das Verlangen hegen, eine rohe Quitte zu essen, so richten Sie Ihren Blick zum Beispiel in Richtung der in der Türkei angebauten Shirin-Quitte, unsere heimischen Arten sind dafür leider nicht geeignet. Egal, wie Sie sie verzehren, die Quitte ist auch wieder ein wahres Kraftpaket an Nährstoffen. Vitamin C, Kalium, Natrium, Zink und weitere Spurenelemente, Gerbsäuren, Pektin und Schleimstoffe enthält sie. Reife Quitten hängen erst Mitte bis Ende Oktober am Baum, doch Achtung: Im Gegensatz zur Hagebutte sollten Sie sich hier nicht zu viel Zeit zum Ernten lassen. Wird die Quitte nicht vor dem ersten Frost geerntet, verliert sie ihr Aroma! Eine weitere interessante Gruppe an Pflanzenstoffen, die die Quitte im Gepäck hat, sind die Schleimstoffe. Volksheilkundliche Aufzeichnungen zeugen von der Anwendung bei Hustenreiz, als Salben und Cremes bei rissiger Haut und spröden Lippen bis hin zur Linderung von Verbrennungsschmerz. Nun noch ein Tipp für die Hobbygärtner: Wollen Sie diesen gesundheitlichen Allrounder in Ihrem eigenen Garten setzen, so pflanzen Sie immer zwei Bäume nebeneinander. Der Quittenbaum gehört zu den Selbstbefruchtern. Es wird dadurch also die Anzahl der Blüten und somit auch der Ertrag deutlich erhöht.
Weitgereiste Vitamine
Abschließend richten wir unseren Blick noch auf die Acerola-Kirsche. Obwohl sie leider nicht heimisch bei uns ist, kommt ein Artikel über Vitamin-C-haltige Vitalstoffquellen nicht ohne sie aus. Diese aus Mittel- und Südamerika stammende kirschenähnliche Frucht zählt weltweit zu jenen mit dem höchsten Vitamin-C-Gehalt. Dies machten sich schon die Mayas zunutze. Aufzeichnungen zeigen, dass ihre Bedeutung in der Stärkung des Immunsystems schon früh erkannt wurde. Doch die Acerola-Kirsche würde nicht unter dem Namen Superfood verkauft werden, wenn sie nur Vitamin C enthalten würde. Auch hier haben wir wieder eine Vielzahl gesundheitsfördernder Stoffe auf engstem Raum: Vitamin C, B1, B2, B3, B6, Folsäure, Beta-Carotin, weitere sekundäre Pflanzenstoffe und Spurenelemente. Durch hochwirksame Antioxidantien unterstützt sie zusätzlich den Stoffwechsel, sichert die Zellerneuerung und fördert die Gesundheit des Herz-Kreislauf-Systems. Die zahlreichen sekundären Pflanzenstoffe haben positive Auswirkungen auf körpereigene Stoffwechselvorgänge. Im Falle der Flavonoide finden wir antioxidative Eigenschaften, aber auch entzündungshemmende, antiallergische und schmerzlindernde. Schaut man bei den Spurenelementen genauer hin, findet man einen hohen Anteil an Kalium, das von unserem Körper benötigt wird, um den Wasserhaushalt zu steuern und den Funktionserhalt von Muskeln und Nerven zu sichern. Es ist ebenso essenziell für eine physiologische Funktion des Herz-Kreislauf-Systems. Neben Kalium finden wir hohe Anteile an Phosphor und Zink, die wiederum den Energiestoffwechsel der Zelle, aber auch das Wachstum von Haaren und das Heilen von Wunden unterstützen.
Wie Sie sehen, könnte man diese Aufzählung endlos gestalten. Die Natur hat gelernt, Vitalstoffe in komprimierten Paketen zur Verfügung zu stellen. Somit wird einerseits die Verfügbarkeit gesichert, andererseits fördern die Vitalstoffe gegenseitig ihre Aufnahme. Wollen Sie sich für die kommende Erkältungszeit wappnen, so greifen Sie doch mal zu einer lokalen Variante des Superfoods und tun Sie somit sich und der Umwelt was Gutes. Denn eine Hagebutte vom Strauch am Straßenrand hat auch einen weitaus geringeren ökologischen Fußabdruck als die Gojibeere aus China, und was den Nährstoffgehalt angeht, kann sie auf jeden Fall mithalten!
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